Der Empfang war herzlich. An seinem ersten Arbeitstag fand Prof. Michael Ertl eine Tasse mit der Aufschrift „Glücklich in Günzburg“ auf seinem Schreibtisch vor. Zudem überreichten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation am Bezirkskrankenhaus (BKH) Günzburg ihrem neuen Ärztlichen Direktor eine Kilopackung Espressobohnen. „Damit haben sie voll ins Schwarze getroffen!“, sagt der 44-Jährige und schmunzelt. Dann ging es gleich los. Seit dem 2. Januar heißt es für den neuen Chefarzt: Klinik und Strukturen kennenlernen, mit den Mitarbeitern sprechen, die Patienten sehen, sich vorstellen, Netzwerke aufbauen usw. „Das war mir recht. So bin ich gleich ohne Schonfrist mitten im Alltag gelandet“, sagt der sportlich-dynamisch wirkende Mann, der die Nachfolge von Prof. Gerhard Hamann angetreten hat.
Prof. Ertl ist in Augsburg geboren, verheiratet und hat zwei Töchter (13 und sieben Jahre alt). Nach seinem Abitur, das er in der Fuggerstadt im Gymnasium bei St. Stephan machte, begann er das Medizinstudium in Regensburg. Über seine Dissertation landete er nach eigenen Angaben in der Neurologie. Bei Prof. Bogdan absolvierte er seine Facharztausbildung. Wissenschaftlich setzte sich Ertl mit dem Thema Ultraschall auseinander, das er fortan zu einem seiner großen klinischen Schwerpunkte machte. Ebenfalls in Regensburg startete er seine Habilitation, wechselte 2014 dann zum Zentralklinikum Augsburg (das heutige Universitätsklinikum, UKA). Dort übernahm er als Oberarzt die Schlaganfallstation und leitete diese zehn Jahre. Er führte anschließend auch das Ultraschalllabor und schloss seine Habilitation erfolgreich ab. Die letzten Jahre war er als Geschäftsführender Oberarzt in der Neurologischen Klinik am UKA tätig und leitete die neurovaskuläre Arbeitsgruppe innerhalb der Neurologie. In einer vielbeachteten Studie erarbeiteten Ertl und sein Team unlängst zusammen mit dem Helmholtz Zentrum München wichtige Erkenntnisse über wachsende gesundheitliche Herausforderungen des Klimawandels. Die Studie zeigt, dass extreme nächtliche Hitzeereignisse das Schlaganfallrisiko signifikant erhöhen, insbesondere für ältere Menschen, Frauen und Menschen mit leichten Schlaganfallverläufen. Dafür erhielt er im Januar stellvertretend für die Arbeitsgruppe den Publikationspreis der Medizinischen Fakultät der Uni Augsburg für herausragende Forschung zur Gesundheit in einem sich wandelnden Klima (wir berichteten).
Nun liegt sein voller Fokus auf die Neurologische Klinik in Günzburg. „Meine Erwartungen von dem, was hier geleistet wird und werden kann, ist deutlich übertroffen worden“, stellt Prof. Ertl fest. „Von den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten sind wir von einem neurologischen Maximalversorger nicht weit entfernt.“ Ein Punkt ist dem neuen ärztlichen Direktor ganz besonders wichtig. „Wir in Günzburg sind DER große Ansprechpartner für neurologische Erkrankungen in der Region und kümmern uns um das gesamte Spektrum Neurologie“ so Ertl. Dies umfasst Schmerzsymptome wie Migräne und Rückenschmerzen, Schwindel, M. Parkinson, Demenzen, entzündliche oder periphere Nervenerkrankungen und natürlich als besonderen Schwerpunkt Schlaganfallerkrankungen. „Das sind alles Volkskrankheiten, und bei allen können wir etwas dagegen tun“, versichert der Chefarzt. Laut Ertl behandelt die Neurologie die häufigsten Erkrankungen in der Gesellschaft.
Innerhalb des Neurovaskulären Netzwerkes Südwestbayern (NEVAS) habe Günzburg ein Alleinstellungsmerkmal. „Wir sind die Neurologie, die zahlenmäßig die meisten Kliniken versorgt“, sagt Prof. Ertl. Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) der Bezirkskliniken Schwaben am Standort sei „ein Schatz, mit dem man wuchern kann“. Die Zusammenarbeit mit den Kreiskliniken Günzburg-Krumbach, insbesondere mit der Inneren Medizin, sei sehr gut, „ohne sie würde es nicht gehen“. Auch die Kooperationen mit der dortigen Gefäßchirurgie, Kardiologie und Onkologie seien wichtig und verliefen reibungslos.
Der Ärztliche Direktor will zum Start viel zuhören. Er hat nach eigenen Angaben aber schon konkrete Vorstellungen, wie er die Klinik weiterentwickeln kann. So will er beispielsweise die Zusammenarbeit mit den benachbarten Disziplinen am Standort, aber auch mit den Unikliniken Augsburg und Ulm verstärken. Der leitende Mediziner hat sich viel vorgenommen, möchte es aber behutsam angehen.
Um leistungsbereit sein und dynamisch ans Werk gehen zu können, dafür sorgt in erster Linie seine Leidenschaft für den Sport, den er als Ausgleich neben der Familie hat. „Ich gehe sehr gerne Skifahren, Bergwandern und Klettern. Ich laufe regelmäßig und besuche mindestens zweimal pro Woche das Fitnessstudio“, berichtet er. Auch seine Frau, die in der IT-Branche tätig ist, sei sportlich aktiv. Kennengelernt haben sich die beiden beim Tanzen (Salsa und lateinamerikanisch). Mit den beiden Kindern und dem neuen Job bleibt dafür jetzt aber eher wenig Zeit.